Der 1. Diabetes-Prävention Online-Kongress des Lions Distrikts Bayern-Süd fand mit renommierten Referenten und zahlreichen Teilnehmer*innen statt. Die Kongressleiterin Prof. Dr. med. Helene von Bibra fasst zusammen, was Prof. J. Beckers (Helmholtz Zentrum, München) berichtete.

Epigenetische Vererbung von erworbener Fettleibigkeit und Diabetes

Was verursacht die epidemiehafte Häufigkeit von Diabetes Typ 2?  Die Antwort ist bekannt:
Umweltfaktoren wie Bewegungsarmut, Fertigessen, leicht verfügbares, energiedichtes Essen.

Mehr als 120 Gene tragen zum Diabetes Risiko bei. Eine Veränderung dieser Gene kann also nicht die Ursache der weltweiten diabetischen Pandemie sein, die sich in nur ca. 30 Jahren entwickelt hat.

Hypothese: Kann die veränderte Umwelt durch epigenetische Vererbung dazu beitragen? Das heißt: Gibt es hier also eine Vererbung erworbener Eigenschaften als Anpassung an eine veränderte Umwelt, zusätzlich zu den in den Genen immer schon festgelegten und unverändert weitervererbten Eigenschaften?
Eine Diskussion solcher Fragen gab es bereits bei Lamarck und angedeutet bei Darwin.

 

Studienaufbau zum Nachweis epigenetischer Vererbung innerhalb eines gesunden Mäusestammes:

Eine in vitro befruchtete Eizelle dieser Mauseltern wird von gesunder Leihmuttermaus ausgetragen. So werden die folgenden Kombinationen von Eltern untersucht:(N+N, LF+LF, FR+FR, FR+N, N+FR).

Bei den Mäusekindern fand sich eine geschlechtsspezifische Vererbung von Fettleibigkeit und von Glukose-Intoleranz, je nach dem Fütterungsmuster der Eltern: Am häufigsten, wenn beide Eltern FR Kost hatten, dann mit abnehmender Häufigkeit, wenn nur die Mutter mit FR Kost gelebt hatte, danach falls nur der Vater mit FR Kost gelebt hatte, und am seltensten, wenn die beide Eltern mit N oder LF Kost gelebt hatten.

Neue Fragen: was genau ist die epigenetische Information in der Eizelle bzw. im Sperma und wo im Erbgut sitzt sie und bewirkt dann das Erscheinungsbild, z.B. Übergewicht, Fettleibigkeit, Glukose-Intoleranz? Kann diese Information reversibel sein oder gemacht werden?

Prof. Beckers berichtet von detaillierten Untersuchungen zur chemischen Zusammensetzung und Aktivität an der DNA mit ihren Methylierungen und der von ihr ausgehenden RNA Kopien, die dann als kodierende RNA (sozusagen als „angeschaltete Gene“) spezielle Eigenschaften in der Zelle auslösen/vererben. Die Gesamtheit dieser kodierenden RNA (Transkriptome) in der Eizelle bzw. im Sperma unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Ernährungsform durch unterschiedlich methylierte Regionen. Die Veränderungen und Weitergabe der epigenetischen Anlagen erfolgt bereits nach dem ersten Teilungszyklus der befruchteten Eizelle (Zygote). In einem Mehrgenerationenmodell kann epigenetisch verursachter Diabetes rückgängig werden. Wir stehen jedenfalls erst am Anfang vieler Erkenntnisdetails im jungen und höchst komplexen Forschungsgebiet der Epigenetik.

Zusammenfassung bisheriger Studienergebnisse:

  • Im Mausmodell ist eine epigenetische Vererbung von Fettleibigkeit und von gestörtem Zuckerstoffwechsel innerhalb einer Generation nachweisbar.
  • Die elterliche Kostform verändert Transkripte und Methylierungsmuster in den Keimzellen.
  • Die Genaktivität ist bereits in der embrionalen Entwicklung verändert, und die Dynamik dieser Veränderungen ist sehr schnell.

MindCarb ist sehr beeindruckt, was in der Vererbungslehre alles untersucht und angesehen werden kann. Die festgestellte Schnelligkeit epigenetischer Veränderungen hin zu Diabetes klingt zunächst wie eine Bedrohung, aber eigentlich ist MindCarb Prof. Beckers sehr dankbar für seine Forschungen, denn sie beinhalten auch, wie leicht solche Entwicklung vermeidbar ist – mit gesunder Kost – und dass solche Entwicklung evtl. rückgängig werden kann.
Jedenfalls wird man sehr gerne bei gesundem Essen auf die nächsten Forschungsergebnisse warten.

In der Reihenfolge der Kongressvorträge behandelt der nächste Blog ebenfalls ein neuartiges Thema jüngster Wissenschaft: Mikrobiom – der unterschätzte Player im Stoffwechsel (Prof. Dr. Andreas Schwiertz, Justus Liebig Universität Giessen).